13.8.07

Zu den irakischen Massenvernichtungswaffen

New York Sun
25. April 2006
http://de.danielpipes.org/article/3550


Das große Geheimnis des Kriegs von 2003 im Irak – „Was ist mit den Massenvernichtungswaffen?" – ist endlich gelöst worden. Die kurze Antwort ist: Saddam Husseins beharrliches Lügen bedeutete, dass ihm niemand glaubte, als er im letzten Moment tatsächlich die Massenvernichtungswaffen (MVW) bei Seite schaffte.

In einem fesselnden Bericht in Buchlänge, herausgegeben vom Joint Forces Command des Pentagon unter dem Titel „Iraqi Perspectives Project" (Projekt irakische Perspektiven), haben amerikanische Forscher die Ergebnisse einer systematischen, zweijährigen Studie über das Militär und die Motivation vorgelegt, die Saddam und sein Regime formten. Gut geschrieben, mit dem historischen Zusammenhang ausgestattet und angefüllt mit aufschlussreichen Details, befindet es sich auf einer Ebene mit Kanan Makiyas „Republic of Fear" als meisterhafter Beschreibung dieses Regimes. (Eine gekürzte Fassung findet man in der Mai/Juni-Ausgabe von „Foreign Affairs".)

Der Bericht zeigt, dass der Saddam-Irak, wie Hitler-Deutschland oder Stalins Sowjetunion, ein Ort unvorhersagbarer verdrehter Realität war. Insbesondere machte Saddam Mitte der 90-er Jahre eine Veränderung durch; er entwickelte die Wahnvorstellung ein militärisches Genie zu sein, sogar seiner Unfehlbarkeit. In diesem Phantasieland zählen der Glaube und Schneid des Soldaten weitaus mehr als Technologie und Ausrüstung. Mit Verachtung der Leistungen des US-Militärs von Vietnam bis Desert Storm und von Somalia bis zum Balkan befand der Tyrann die Amerikaner als Feiglinge und unwürdige Feinde.

Zur gleichen Zeit begann Saddam auch darauf zu bestehen nur gute Nachrichten zu erhalten, womit er sich weiter von den oft harten Realitäten entfernte. Während immer weniger Untergeben es wagten den Ansichten des Chefs zu widersprechen, sorgte seine entschiedene Selbsttäuschung außerhalb des Präsidentenpalastes für verheerende Zustände in der gesamten irakischen Regierung und darüber hinaus. Der führende Autor des „Iraqi Perspectives Project", Kevin M. Woods, und seine vier Mitautoren merken an: „Ab Mitte der 90-er Jahre erkannten die meisten im Bereich des inneren Kreises des Regimes, dass jeder jeden belog." Täuschungen wurden bekräftigt und vervollkommnet; ein Luftabwehr-Offizier drückte das so aus: „Ein Offizier belog den anderen, vom Oberleutnant an aufwärts, bis das bei Saddam ankam."

Dass niemand wirklich wusste, was los war, wurde durch den weit verbreiteten Glauben an den Kriegs-Unsinn symbolisiert, der vom irakischen Informationsminister (von westlichen Reportern spöttisch „Bagdad Bob" getauft) ausgespieen wurde, während der die Welt mit glühenden Berichten irakischer Siege erfreute; „aus der Sicht der irakischen Führer berichtete Bagdad Bob im Großen und Ganzen das, was sie von der Front hörten". Ein Miliz-Kommandeur gab zu, dass er „absolut überrascht" war einen amerikanischen Panzer in Bagdad anzutreffen.

Dieselbe Situation dehnte sich auf die militärisch-industrielle Infrastruktur aus. Erst einmal, stellt der Bericht fest, reichte für Saddam „der bloße Erlass einer Anordnung, um einen Plan funktionieren zu lassen". Zweitens sorgte jeder Beteiligte aus Furcht um sein Leben für strahlende Erfolgsberichte. Insbesondere berichteten „Wissenschaftler immer, dass die nächste Wunderwaffe gerade vor der Fertigstellung sei". Wer kannte in einer solchen Umgebung den tatsächlichen Zustand der MVW? Selbst für Saddam „gab es, wenn es um die MWV ging, immer ein Element des Zweifels in Sachen Wahrheit".

Das strategische Dilemma des Irak komplizierte die Sache weiter. In der Erkenntnis, dass irakische Schwäche zu einem Angriff ein laden könnte, besonders seitens des Iran, wollte Saddam die Welt glauben lassen, er besäße MVW. Aber schließlich erkannte er, dass er, um die Koalition abzuwehren, die westlichen Staaten überzeugen musste er besäße genau diese Waffen nicht mehr. Als die Koalitionsstreitkräfte Ende 2002 für den Krieg verstärkt wurden, entschied sich Saddam mit den Vereinten Nationen zu kooperieren, um feststellen zu lassen, dass sein Land sauber war, um, wie er es formulierte, „Präsident Bush keine Gründe zu geben einen Krieg anzufangen".

Dieser klare Augenblick fiel ironischerweise seiner langen Geschichte der Täuschung der UNO zum Opfer; irakische Schritte, um mit den Inspektoren zu kooperieren, hatten den paradoxen Effekt die Zweifel des Westens zu bestätigen, dass die Kooperation eine List war. Zum Beispiel wurden abgefangene Befehle „alle Spuren früherer MVW-Programme zu entfernen" als ein weiterer Trick fehlinterpretiert und nicht als die ehrlichen Bemühungen, die sie tatsächlich waren.

Saddams verspätete Versuche der Transparenz gingen ins Auge und führten zu dem, was die Autoren des Berichts „eine diplomatische und propagandistische Zwickmühle" nennen. Es folgte eine monumentale Verwirrung. Gefangen genommene hochrangige irakische Offizielle glaubten noch viele Monate nach dem Krieg von 2003 weiterhin es sei „möglich, dass der Irak immer noch irgendwo versteckte MVW-Kapazitäten besaß". Die Geheimdienste der Koalition verpassten die schlussendliche und unerwartete Wende. Weder die Dienste noch westliche Politiker logen; Saddam war der bösartige Hochstapler, dessen Ablenkungen am Ende alle verwirrte und in Gefahr brachte, einschließlich ihm selbst.